Dokumentenvernichter, der darstellt, dass Arbeitszeugnisse nichts wert sein sollen

Arbeitszeugnis

Ein Arbeitszeugnis ist ein wichtiges Dokument, das ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer bei der Beendigung des Jobs ausstellt. Es zeigt, welche Aufgaben die Person gemacht hat und wie gut sie dabei war. Auch das Verhalten gegenüber Kollegen, Kunden und Vorgesetzten wird darin beschrieben. Es gibt zwei Arten: Das einfache Arbeitszeugnis, das nur die Dauer und Art der Tätigkeit nennt, und das qualifizierte Arbeitszeugnis, das zusätzlich eine Bewertung der Leistung und des Verhaltens enthält.

Sind Arbeitszeugnisse das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind?

Eine, zugegeben, etwas provokante Frage. Doch ist sie berechtigt? Gerald Ritter, der bei ACCENON seit Jahren für die Arbeitszeugnisse zuständig ist, beleuchtet deren Aussagekraft – ein Kommentar.

Inhalt

Bei Ausscheiden eines Mitarbeiters ist der Arbeitgeber gemäß § 109 der Gewerbeordnung (GewO), bzw. §630 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein einfaches Zeugnis zu erstellen. Das ist nicht viel mehr als eine „Teilnahmebescheinigung“, welche die Art und Dauer der Tätigkeiten beschreibt.

Darüber hinaus darf ein Arbeitnehmer ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. Und hier wird es nun problematisch. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein wohlwollendes Zeugnis zu erstellen. Das heißt, es dürfen dem Arbeitnehmer durch das Zeugnis keine Steine für die berufliche Zukunft in den Weg gelegt werden (außer bei vorsätzlichem Fehlverhalten, wie z. B.: Diebstahl. Dies muss sogar erwähnt werden, denn ein zukünftiger Arbeitgeber könnte sonst den Zeugnisaussteller belangen, wenn das nicht erwähnte Fehlverhalten bei ihm ebenfalls auftritt und Schaden anrichtet). Andererseits soll ein Zeugnis der Wahrheit entsprechen. Dies führt allzu häufig zu einem Dilemma, denn wer will schon einen Mitarbeiter einstellen, in dessen Zeugnis wahrheitsgemäß steht „Er ist faul, unpünktlich und Alkoholiker“.

Geheimsprache der Arbeitszeugnisse

Um dieses Problem zu lösen, hat sich eine Art Geheimsprache entwickelt, welche versucht den beiden Grundsätzen „Wahrheit“ und „Wohlwollen“ gerecht zu werden.

Für unseren faulen und unpünktlichen Alkoholiker könnten folgende Formulierungen im Zeugnis stehen:

„Herr Mustermann zeigte stets Verständnis für seine Arbeit.“

Klingt gut? Bedeutet aber, der Mitarbeiter hatte zwar Verständnis für die Arbeit, aber keine Lust sie auch zu erledigen.

„Herr Mustermann war nie unpünktlich und nie unzuverlässig“

Na jetzt aber, das ist doch wirklich positiv. Weit gefehlt. Der Geheimcode besagt, dass Verneinungen negativer Dinge eben genau diese Dinge bejahen.

Auch die Formulierung „Besonders schätzen wir seine Pünktlichkeit…“ ist keinesfalls positiv, da eine Selbstverständlichkeit (Pünktlichkeit) übertrieben betont wird. Herr Mustermann war also unpünktlich…

Ob seine Unpünktlichkeit vielleicht mit seinem Alkoholkonsum zusammenhängt? Wir wissen es nicht. Doch kommt auch dieses Manko noch dazu, dann könnte dem Mitarbeiter im Zeugnis Geselligkeit bescheinigt werden.

Dies sind nur einige Beispiele. Es gibt für jede Art von Verhalten entsprechende Formulierungen, die dem wissenden Leser die Wahrheit offenbaren.

Ein weiteres Mittel zur wohlwollenden Bewertung ist die Verwendung bzw. das Weglassen von Steigerungsworten und Superlativen. So hat zum Beispiel ein Mitarbeiter, der „zu unserer Zufriedenheit“ gearbeitet hat lediglich ausreichende Leistungen gebracht. Eine glatte 1 nach dem Schulnotensystem bedarf der Formulierung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“.

Kaum zu glauben, es gibt noch viele andere Indizien für schlechte Bewertungen. Zum Beispiel kann ein deutlich zu spätes Ausstellungsdatum den Hinweis darauf geben, dass der Mitarbeiter sich das gute Zeugnis über das Arbeitsgericht „erstritten“ hat. Das Ausbleiben guter Wünsche für die Zukunft, sagt aus, dass man dem Mitarbeiter nichts Gutes wünscht. Man hat sich also offenbar nicht im Guten getrennt.

Ferner gibt es auch geheime Zeichen, z. B.: kann die Art und Position der Unterschrift oder Nichteinhaltung der Form sogar Aussagen über die politische Gesinnung des Mitarbeiters bedeuten. Solche Zeichen werden jedoch vor Gericht niemals Stand halten.

Arbeitszeugnisse prüfen lassen?

Doch wie so oft gilt: wo kein Kläger, da kein Richter. Sofern der Mitarbeiter diese Codes nicht kennt, wird er seinen Berichtigungsanspruch nicht durchsetzen. Es lohnt sich also unter Umständen, sein gut klingendes Arbeitszeugnis von Fachleuten prüfen zu lassen und gegebenenfalls Berichtigung zu verlangen. Es hat sich bei den Arbeitsgerichten die Praxis etabliert, dass bei einem schlechteren als einem befriedigenden Zeugnis der Arbeitgeber die mindere Qualität beweisen muss. Umgekehrt gilt dies natürlich auch für den Arbeitnehmer, der meint, ein „befriedigend“ würde ihm nicht gerecht. Die Beweisführung in beiden Fällen dürfte sich in der Praxis als schwierig erweisen.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem sind Zeugnisschreiber, welche ihr Handwerk nicht verstehen und unbewusst negative Formulierungen verwenden, weil sie deren Bedeutung nicht kennen. Es empfiehlt sich also für Arbeitgeber die Zeugnisschreiber durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen zu qualifizieren. Denn es schadet auch dem Ruf des Arbeitgebers, wenn alle Welt weiß, dass man sich auf von ihm ausgestellte Arbeitszeugnisse nicht verlassen kann.

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Fazit: Wie aussagekräftig sind Arbeitszeugnisse wirklich?

Um nun zur Eingangsfrage zurück zu kommen: Natürlich können die aufgezählten Aspekte den Eindruck erwecken, dass man getrost auf die Arbeitszeugnisse verzichten könnte. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn wenn allen Beteiligten diese Aspekte bekannt sind, gibt ein Zeugnis schon ausreichend Aufschluss, ob es sich lohnt, einen Bewerber in die engere Wahl zu ziehen. Und ein Bewerber ohne Arbeitszeugnis wird es auch heute noch schwer haben, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden und er verpasst unter Umständen dadurch die Chance, durch seine Persönlichkeit zu überzeugen.

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